Die „wilden Zeiten“ wieder erleben
Als Johannes Pfeifer vom Heimatverein Kirchen bei der Eröffnung seiner Ausstellung über eine legendäre Disco von früher referiert, ist das Interesse riesig. Wie man jetzt bei dieser Ausstellung noch einsteigen und sich gemeinsam erinnern kann
Von Peter Seel Siegerner Zeitung, 13. Februar 2024
KIRCHEN. Die Ausstellung über die Kirchener Diskothek „Chateau Noir“, die später „Crazy Horse“ hieß, verbuchte bei ihrer Eröffnung einen so großen Zuspruch wie schon lange keine Präsentation im Heimatmuseum Kirchen mehr. Daher hat sich der Aussteller, der Heimatverein Kirchen, für eine „Zugabe“ entschieden.
Zusammengestellt hat die Ausstellung „Besuch im Schwarzen Schloss und Verrückten Pferd“ der Kirchener Johannes Pfeifer (74), der damals selbst Stammgast und eine Zeit lang auch Mann an der Garderobe im „Crazy Horse“ war.
Er hat Zeitungsausschnitte, Fotos, Autogrammkarten gesammelt und auf drei Dutzend Ausstellungstafeln chronologisch geordnet: Von den Anfängen des „Chateau Noir“ 1968 bis zu Schließung und Abriss des „Crazy Horse“ 1983.
Bei der Ausstellungseröffnung am 10. Dezember war Pfeifers Vortrag zum Thema vor vollen Stuhlreihen so gut angekommen, dass er sich in Kirchen herumgesprochen hat. Aufgrund zahlreicher Anfragen soll daher die Präsentation der Ausstellung am Sonntag, 18. Februar, um 14 Uhr wiederholt werden.
Mehr noch: Ergänzungen zur Vervollständigung der Ausstellung können bis dahin noch hinzugefügt werden. „Wer etwas dazu beitragen möchte“, sagt Pfeifer, „ist eingeladen, sich beim Heimatverein zu melden – ob es Dokumente, Fotos oder andere Informationen zu dieser ‚Epoche‘ von Kirchen sind.“
„Letztlich ist das enorme Interesse an der Ausstellung nicht ganz verwunderlich,“ sagt Pfeifer, „denn diese Diskothek war von 1968 bis 1983 eine Art Kontaktbörse für den ganzen hiesigen Raum. Hier traf man sich, trank einen Apfelsaft – später auch Bier – und lernte neue Leute kennen.“
Vor allem resultierte auch so manche spätere Ehe aus einem Flirt im „Crazy Horse“: „Kein Wunder“, so Pfeifer, „dass das nostalgische Interesse an diesen ‚wilden‘ Jahren der eigenen Jugend bei vielen Leuten aus unserer Gegend so hoch ist.“
Die Ausstellung beweist, wie viele Ältere aus der Region sich noch an die Diskothek erinnern, oft als einen Ort jugendlichen Aufbruchs von den spießigen 1960ern hin in eine kulturell freiere Epoche. Bei der Elterngeneration hatte die Diskothek dagegen meist einen schlechten Ruf.
„Anekdoten von Polizeieinsätzen, Schlägereien und Besuchen der damaligen Rockergruppe Kreuzeiche wurden von der heimischen Presse übertrieben“, erklärt Pfeifer.
So weit gingen die Vorurteile über den „Sündenpfuhl“ im Kirchener Ortskern, dass damals das Krankenhaus einmal sogar eine Spende für die Kinderstation von 1100 D-Mark ablehnte, nur weil sie im „Crazy Horse“ gesammelt worden war.
„Für uns aber war die Disco ein prägender Teil der Jugend“, sagt Pfeifer, „historisch gesehen gehörte sie zur Weiterentwicklung unserer ländlichen Gesellschaft, heraus aus einer prüden, duckmäuserischen, unpolitischen Prägung durch Kirche, Messdienerzeit und konservatives Bürgertum.“
Aus heutiger Sicht ist der „Crazy Horse“ selber ein eher braves Lokal, in dem es – im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung im Bürgertum – nicht einmal Drogen gab. So standen damals auch Konzerte auf dem Programm: Es waren vor allem deutschsprachige Schlagerstars und -sternchen, die zum Mitsingen und Schwofen einluden.
Diese Diskothek war von 1968 bis 1983 eine Art Kontaktbörse für den ganzen hiesigen Raum.
Johannes Pfeifer
Ausstellungsmacher
„Rockmusik wurde zwar auch gespielt“, erinnert sich Pfeifer, „aber vieles waren eben Schnulzen. Ein progressiver Schuppen war das Crazy Horse nie.“ Das bestätigen die Namen, die auf Autogrammkarten und Einträgen in dem Gästebuch zu finden sind, das Pfeifer vom einstigen Betreiber Horst Feist für die Ausstellung ausleihen durfte.
Gezeigt werden noch bis Ende März im Heimatmuseum Original-Grüße und Autogramme von Peter Orloff, Howard Carpendale, Bill Ramsey, den Lords, den Rattles, Birth Control und anderen. Übrigens traten damals zwei der später erfolgreichsten Musikproduzenten Europas in Kirchen als Schlagersänger auf: Jack White, der 1000 Lieder wie „Schöne Maid“ schrieb, und der neulich verstorbene Frank Farian, der dann Boney M. produzierte.
Zur Ausstellung gehören auch Erinnerungen an die Originale, die im „Crazy Horse“ anzutreffen waren: vom Eiserfelder Schreiner Herbert Graap, der das damalige Kirchener Kino „Lichtspiele“ zu dieser Disco umbaute, über den langjährigen Betreiber Horst Feist bis zum ersten DJ Gerd „Tünn“ Böhm und dem Türsteher Juppes.
Die Ausstellung aus mehr als 30 großen Bilderrahmen ist noch bis Ende März, jeweils an den ersten drei Sonntagen im Monat von 14 bis 17 Uhr, zu sehen. Absprachen für sonstige Besuche sind unter Tel. 02741 63543 oder per Mail (info@kirchener-heimatverein.de) möglich.