„Ausstellung erzählt vom Crazy Horse“
ZU ANFANG, NACH DER ERÖFFNUNG 1968, HIESS DIE DISCO NOCH „SCHWARZES SCHLOSS“ – „LE CHATEAU NOIR“. ARCHIVFOTO: PRIVAT
Der Laden war besser als sein Ruf. „Drogen kriegte man da nicht“, sagt einer, der hier arbeitete. Doch für Kirchens Bürger war das „Crazy Horse“ ein Sündenpfuhl: So lehnte das Krankenhaus damals sogar eine Spende von 1100 D-Mark ab, die in der Disco gesammelt worden war.
KIRCHEN. Das „Chateau Noir“ in Kirchen, später „Crazy Horse“, ist älteren Menschen der Region noch bestens in Erinnerung: Als ein Ort jugendlichen Aufbruchs, weg vom Muff der spießigen 1960er-Jahre hin in einer kulturell freieren Epoche. Bei der Elterngeneration indes hatte die Diskothek einen schlechten Ruf. Wie spannend dieses Kapitel heimischer Geschichte ist, wird ab Sonntag um 14 Uhr im Heimatmuseum Kirchen gezeigt.
Johannes Pfeifer, zweiter Vorsitzender beim Heimatverein, hat die wilden Jahre der Disco zum Großteil miterlebt – als Gast und auch als Mann an der Garderobe. Der heute 74-Jährige hat die Ausstellung „Besuch im Schwarzen Schloss und Verrückten Pferd“ im Lauf eines Jahres akribisch zusammengestellt, hat Zeitungsausschnitte, Fotos, Autogrammkarten gesammelt und auf drei Dutzend Ausstellungstafeln chronologisch geordnet: Von den Anfängen des „Chateau Noir“ 1968 – bis zu Schließung und Abriss des „Crazy Horse“ 1983.
„Die Disco war für unsere Generation ein prägender Teil der Jugend“, sagt Pfeifer, der sich vom Werkzeugmacher bei Jung Jungenthal zum Anästhesisten in Düsseldorf und Hilden hocharbeitete. „Sie gehörte zur Weiterentwicklung unserer ländlichen Gesellschaft, heraus aus einer prüden, duckmäuserischen, unpolitischen Prägung durch Kirche, Messdienerzeit und konservatives Bürgertum.“
Orte wie das „Crazy Horse“ hätten vordergründig zwar für die Gäste Freizeit, Spaß und Wochenende und für die Betreiber ein Geschäft bedeutet. „Aber ohne, dass es alle so direkt mitbekommen haben, war der Laden auch eine Art Grenzüberschreitung, ein Stück neue Lebenserfahrung.“
Und während heute Diskotheken nur noch reine „Baggerschuppen“ mit Musik aus der Konserve sind, standen damals auch Konzerte auf dem Programm. Dabei zeigt sich, wie brav der Laden eigentlich war – ganz im Gegensatz zu seinem Ruf: Es waren vor allem deutschsprachige Schlagerstars und -sternchen, die hier zum Mitsingen und Schwofen einluden.
„Beatles, Stones und Rock wurden zwar auch gespielt, klar“, erinnert sich Pfeifer, „aber vieles waren eben Schnulzen. Ein progressiver Schuppen war das Crazy Horse nie.“ Das bestätigen die Namen, die auf Autogrammkarten und Einträgen in dem Gästebuch zu finden sind, das Pfeifer vom einstigen Betreiber Horst Feist für die Ausstellungsvorbereitung ausleihen durfte. Ausgestellt werden Original-Grüße und Danksagungen von Peter Orloff, Howard Carpendale, Bill Ramsey, den Lords, den Rattles, Birth Control und vielen anderen. Auch zwei der später erfolgreichsten Musikproduzenten Europas traten einst in Kirchen als Schlagersänger auf: Jack White, der 1000 Lieder à la „Schöne Maid“ für zahllose Schlagerstars schrieb und international für Paul Anka oder David Hasselhoff arbeitete. Oder Frank Farian, der unter anderem Boney M. produzierte.
Auch privat hat das „Crazy Horse“ für viele Menschen der Region Bedeutung gewonnen. Nicht wenige haben hier den Partner fürs Leben getroffen – auch Pfeifer selbst, der seine Frau Bea kennen lernte. Und obwohl die meisten Disco-Beziehungen eher von befristeter Natur sind, war er mit ihr bis 2004 verheiratet.
Legendäre Anekdoten ranken sich um die Disco, etwa Polizeieinsätze, Schlägereien, Verdächtigungen wegen Drogen, Besuche der damaligen Rockergruppe „Kreuzeiche“. „Aber davon wurde vieles von der heimischen Presse und den Spießern übertrieben“, erklärt Pfeifer. „Dass der Laden ein Drogenumschlagplatz war, ist pure Übertreibung.“
Ohne dass es damals alle so direkt mitbekommen haben, war der Laden
auch eine Art Grenzüberschreitung, ein Stück neue Lebenserfahrung.
Johannes Pfeifer
Ausstellungsmacher
Zu Recht legendär dagegen sind die Protagonisten aus dieser Zeit, angefangen beim Eiserfelder Schreiner Herbert Graap, der sich als begnadeter Gastro-Organisator entpuppte und das damalige Kirchener Kino „Lichtspiele“ zur ersten Kultdisco weit und breit umbaute. Auch die „Hazienda“ in Eiserfeld und das „Moulin Rouge“ in Siegen zur Blüte geführt. Dazu gehören auch der langjährige Betreiber Horst Feist oder der erste DJ Gerd „Tünn“ Böhm oder auch Türsteher und Rausschmeißer „Juppes“.
„Wer kann sich noch erinnern an den stürmischen Andrang von etwa 500 Personen bei der Eröffnung im Herbst 1968?“ lacht Pfeifer. „Endlich gab es einen Treffpunkt, wo nicht nur die Kids aus Kirchen, sondern auch Jugendliche aus der ganzen weiteren Umgebung hinkamen.“
Dieser Streifzug durch das Kirchen der 1960er- und 1970er-Jahre dürfte viele Erinnerungen wachrufen. Die Ausstellung wird am Sonntag um 14 Uhr im Kirchener Heimatmuseum in der Wiesenstraße 7 eröffnet und kann bis Ende März immer an den ersten drei Sonntagen eines Monats zwischen 14 und 17 Uhr besucht werden.
Von Peter Seel
Heimatmuseum Kirchen, Wiesenstraße 7,
Öffnungszeiten: jeweils die ersten drei Sonntage im Monat, 14 bis 17 Uhr,
für Gruppen auf Anfrage
unter Tel. (0 27 41) 6 35 43.