Sigrid Pieroth im Heimatmuseum

„Ich male nicht, ich gestalte Bilder“

 

SZ  24. November 2022

Rai n „Es hat mich fasziniert, wie der Farbpinsel über die Leinwand geglitten ist“, sagt Sigrid Pieroth und erinnert sich an eine Begebenheit, die viele Jahre zurückliegt und die für sie ein zündender Moment wurde: Pieroth schaute ihrer Tochter Eva-Katharina Pieroth zu, die mit dem Pinsel Ölfarbe auf die Leinwand brachte. Für eine Arbeit im Studium „Intermedia Design“. Die Mutter entdeckte für sich das Gestalten mit Farben, am liebsten Acryl, sowie Materialien wie Kohle, Spachtelmasse, Papier, Marmormehl und sogar Blättern der Pfeifenwinde. Nun stellt die Künstlerin im Heimatmuseum aus – auch Werke mit einem Bezug zu ihrer Heimat Kirchen.

Druidenstein, Ottoturm und Freusburger Mühle sind Motive, die Pieroth auf die Leinwand bringt. Zudem hat sie weitere Motive gefunden – z. B. in Vancouver. Mal ist es eine abstrakte Gestaltung, mal etwas realistischer. In ihrem Atelier entstehen vor allem Collagen. „Ich male nicht, ich gestalte Bilder.“ Das Handwerkszeug lernte sie von Ines Kollar aus Hamburg-Pinneberg. Im Laufe von gut zehn Jahren arbeitete Pieroth ihren Stil heraus.

Am Anfang steht ein Foto. So entdeckte sie im kahlgeschlagenen Umfeld am Ottoturm einen einsamen Baum. Sie fotografierte das Relikt, das sie mit dem Titel „Winter im Käferwald“ auf Leinwand verewigte. „Eine Bild wächst“, erklärt Pieroth an einer Collage mit Ottoturm, Druidenstein, Heimatmuseum und Landkarte. Fotomotive kommen zuerst auf den Untergrund. Mal ist es ein klassisches Foto, mal eine Transfertechnik. Das Motiv wird dafür spiegelbildlich auf ein Trägerpapier gebracht und kommt so auf die Leinwand. „Mit einem Schwamm wird das Papier später abgerubbelt, das Motiv bleibt erhalten.“ Danach kommt das, was sie mit „ich gestalte Bilder“ meint.

Auf einer Collage hat sie z. B. den Fuß des als Foto aufgebrachten Druidensteins mit Spachtelmasse plastisch herausgearbeitet. Nun stehen das Naturdenkmal und der Ottoturm weit auseinander. Pieroth versteht es, die einzelnen Elemente in fließenden Übergängen zu vereinen – und erzeugt eine gewisse Tiefe. Sie gestaltet auch mit Farbschichten. So auch bei einer Impression eines Segelschiffhafens. Die Segel in der Seitenansicht hat sie mit Stoff und Pappe dargestellt.

Und die Bugperspektive? Für die schmale Silhouette der Segel hat sie unterschiedliche Farbschichten aufgetragen. In einer sanften Wellenbewegung hat sie den Spachtel von unten nach oben durch die noch feuchten Schichten gezogen. Unverkennbar: Das sind bunte Segel. Die Bilder erzählen auf ihre Art eine Geschichte und warten nur darauf gelesen zu werden. Ein flüchtiger Blick reicht nicht aus, erst ein zweiter oder dritter Blick öffnet Perspektiven. Bei der Vernissage am Sonntag tauschten sich Besucher über die Bilder aus, auch mit der Künstlerin. Für das Motiv Herbst hat Pieroth Blätter der Pfeifenwinde, die am Atelier von Kollar wächst, mitgebracht. Sie hat mit Farbe die Blattstruktur auf chinesisches Wenzhou-Papier – aus Maulbeerfasern hergestellt – gedruckt und ins Motiv geklebt. „Hier sieht man noch die Fasern“, sagt sie.

Die Arbeiten von Pieroth setzen einen bunten Akzent im Heimatmuseum und schlagen eine Brücke zum Thema „Heimat“. Hubert Hensel, Vorsitzender des Heimatvereins, war bei einem Stadtfest in Kirchen auf Pieroths Kunst aufmerksam geworden. Die Werke wollte er gerne ins Museum holen, weil „es passt“. Die Motive, die ihn damals angesprochen hatten, sind nicht ausgestellt. Die Trilogie mit Druidenstein, Ottoturm und Freusburg war eine Auftragsarbeit, die ihren Platz gefunden hat. In einem Katalog zur Ausstellung sind diese Werke abgebildet.

Als „waschechte Kirchenerin“ freue sie sich, hier ausstellen zu dürfen. Das Ambiente des Museums gebe viel. Sollte dort eines der Bilder einen neuen Besitzer finden, so Pieroth, „dann spende ich zehn Prozent dem Heimatmuseum“. Die Sonderausstellung ist bis Weihnachten sonntags sowie am zweiten und dritten Sonntag im Januar jeweils von 14 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

Es hat mich fasziniert, wie der Farbpinsel über die Leinwand geglitten ist.

Sigrid Pieroth

SZ  24. November 2022                                          

 

Ab Sonntag, 20, November 2022

Heimatmuseum Kirchen, Wiesenstraße 7,
Öffnungszeiten: jeweils die ersten drei Sonntage im Monat, 14 bis 17 Uhr,
für Gruppen auf Anfrage
unter Tel. (0 27 41) 6 35 43.